Auf unserer Rundreise im „on the road“ im Mai/Juni 2019, die uns von Ostfriesland über Münster, Karlsruhe, den Kaiserstuhl, Genf, Avallon, Montherme und Brüssel zurück nach Ostfriesland geführt hat, war das Tiny House Festival in Karlsruhe ein ganz spezielles Erlebnis, das meine Frau und ich bei schönstem Sommerwetter genossen haben. Hier ein paar Fotos:
Woher mein Interesse an Tiny Houses? Nun, der Zusammenhang zwischen Mini-Caravan und Tiny House liegt auf der Hand: es ist der Hauch des Minimalismus, der beide umweht.
Als Hobby Designer interessieren mich Tiny Houses bereits seit einiger Zeit, besonders natürlich hinsichtlich Konstruktion, Bau und Einrichtung, denn hier bietet sich ein weites Feld, mit Ideen zu spielen. Ich habe in Karlsruhe ausgefeilte Modelle gesehen und dabei fast zwangsläufig meine eigenen konstruktiven Vorstellungen entwickelt. Diese werde ich später in einem weiteren Beitrag vorstellen. Ich werde Pläne zum Selbstbau eines preiswerten Tiny House auf meiner website zeigen, die ohne großes handwerkliches Geschick und preiswert realisiert werden können.
Abgesehen von der baulich / gestalterischen Seite her lohnt es aber erst einmal, sich mit den gesellschaftlichen Hintergründen der Tiny House Bewegung zu befassen. Mich hat dazu das Buch „Tiny House – Designing, Building, and Living“ von Gabriella und Andrew Morrison angeregt. ( Es ist auf amerikanisch erschienen und war für mich wegen zahlreicher Amerikanismen und Fachausdrücke leider nur mit dem Dictionary zu lesen. )
Die Autoren stellen grundlegende Fragen zur heutigen Wohnkultur in den USA. Dabei listen sie die Kostenentwicklung von Neubauten, Mieten, Einrichtungen, Nebenkosten, Instandhaltungskosen . . . . . in den USA fundiert auf und resümieren, dass der durchschnittliche US-amerikanische Hausbesitzer heute allein zwei von fünf Arbeitstagen in der Woche arbeiten muss, um diese Kosten zu decken. Sie weisen nach, dass sich Immobilienkosten und Mieten in den USA seit etwa der Jahrhundertwende trotz sinkender Familieneinkommen fast verdoppelt haben.
Auf der anderen Seite berechnen sie, dass ein Tiny House nur etwa die Hälfte allein der Anzahlung für einen Neubau kostet und dass die Betriebskosten ganz entschieden niedriger sind, wobei Stellplätze in den USA kein großes Problem zu sein scheinen.* Auch die allgemeinen Konsumkosten sollen bei Tiny House Besitzern viel geringer sein als üblich, weil sie nicht viel Platz für eigentlich unnütze Dinge haben!
Kein Wunder, dass die Autoren des Buches die finanzielle Freiheit der Tiny House Besitzer unterstreichen, die kaum unter hohen Zinsen und Anuitäten zu leiden haben.
Neben weiteren Vorteilen führen sie die hohe Mobilität an und dass die Umweltbilanz von Tiny Houses mit einem Ausstoß von 2000 pounds Kohlendioxid jährlich erheblich besser ist als die konventioneller Häuser mit 28000 pounds.
Und in Deutschland? Hier ist der gleiche gesellschaftliche Trend zu beobachten: die Mieten und Immobilienpreise explodieren, ebenso die allgemeinen Wohnkosten. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Tiny House Bewegung steht hier allerdings noch in ihren Anfängen und wird von Banken und Bauwirtschaft natürlich nicht gefördert. Auch das wirtschaftliche Interesse von Architekten an Tiny Houses dürfte nicht besonders hoch sein.
Allerdings gibt es bereits einige engagierte Firmen, meistens Schreinereien, die sehr interessante und schicke Tiny Houses mit ausgeklügelten Details entwickelt haben und herstellen. Davon konnten wir uns auf dem Festival in Karlsruhe überzeugen! Wir konnten dort auch einige Protagonisten kennen lernen, wie Anja und Ilan, die auf ihrem youtube – Kanal „The Tiny Difference“ ausführlich und trotzdem kurzweilig vom Bau ihres Tiny House berichten. ( S. daneben auch andere informative und sehenswerte Videos, wie nessa goes wild, Max Green, einfachfroh.de u. a. )
Die Atmosphäre auf dem Festival war sehr angenehm und regte an, sich Gedanken zu machen über unsere Lebensgewohnheiten in immer größeren und komfortableren Wohneinheiten, die selbst den Verdienern guter Einkommen wegen ihrer immensen Kosten die Lebensqualität vermiesen können. Allein vor dem Hintergrund dieser Tatsache finde ich keine Erklärung dafür, dass sich z. B. Tiny Houses oder auch vorgefertigte kleine und preiswerte Modulhäuser für sesshafte Leute nicht stärker durchsetzen können. Ist es unser Prestigedenken, das uns zwingt, in Häusern für die Ewigkeit auf parkähnlichen Grundtücken zu leben?
Ich selbst mache da keine Ausnahme, denn ich bewohne ein großes Haus mit Garten, weil ich früher immer gemeint habe, ich bräuchte einen Raum allein für die leeren Flaschen. Nur, im Laufe der Zeit hat sich soviel Krimskrams angesammelt dass noch nicht einmal mehr Platz für diese ist. Und alles macht viel Arbeit!
Sicher deshalb finde ich immer mehr Gefallen am Minimalismus. Aber selbst ein moderater Minimalismus lässt sich im Leben eines älteren Durchschnittsbürgers bei allen eingeschliffenen Gewohnheiten und Konventionen nur schwer durchsetzen.
Nun sind Tiny Houses natürlich nicht die Lösung der deutschen Wohnprobleme. Sie sind sicher auch keine Lösung für das Wohnen in Innenstädten. Eine gute Alternative für Studenten und junge und jung gebliebenen Leute sind sie aber allemal, besonders wo doch im heutigen Berufsleben überall Flexibilität und Mobilität gefordert werden.
In Deutschland stehen neben psychologischen u. ä. Hemmschuhen in erster Linie wohl die Stellplatzprobleme der Ausbreitung von Tiny Houses im Wege. Diese zu lösen sollte aber doch möglich sein! Ich denke da z. B. an Tiny House Parks, wie es sie vereinzelt wohl auch schon gibt. Stellplätze mit Anschlüssen für Energie, Wasser, Abwasser und Telekommunikation sollten dabei angestrebt werden, denn ich fürchte, autarke oder teilautarke Systeme ( die hohe Schule der Tiny House Idee ) sind noch zu teuer und genügen nicht so ganz unseren Ansprüchen an zeitgemäßen Wohnkomfort. Ich würde sogar behaupten, dass das Tiny House Movement eine wirklich etablierte Form des alternativen Wohnens erst dann durchsetzen kann, wenn es gelingt Tiny House Parks in größerem Umfang in vielen Städten und an vielen Orten einzurichten. Das braucht allerdings eine starke Lobby. Dem Internet entnehme ich, dass der Verein
( https://einfach-gemeinsam-leben.info ) mit einer sehr umfassenden Zielsetzung in diesem Sinne tätig ist und zur Mitarbeit einläd. Auf dem Festival wurden Stellplatzprobleme nur von dem Verein „Tiny Houses für Karlsruhe“ angesprochen.
( https://www.tiny-houses-karlsruhe.de ). Ansonsten herrschte eine heile Tiny House Welt.
War aber trotzdem alles nicht schlecht.